Vorhang. Radio Research Day 2015. Zweiter Akt.

Mein erster eigener Radiorecorder. Der Philips 090

Nun ich bin ja ein Radio-Fan. In jungen Jahren wurde ich auch durch das Medium Radio mitsozialisiert Ein Fernsehgerät gab es bei uns ziemlich spät im Haushalt und der war weitestgehend tabu für uns Kinderlein. Dafür gab es zur Firmung einen Radiorecorder und für ausgedehnten Radiogenuss kein Halten mehr. War es in der frühen Volksschulzeit noch die obligate samstägliche „Erbschleichersendung“ der ich im Regionalradio lauschte und in der man zu Ehren der „lieben Schwiegermama“ einen Musikwunsch aufgeben konnte (Kategorie: Peter Alexander, Heintje und volksdümmliche Musik usw.), so kam es ab zwölf zur vorpubertären Defloration meiner Ohren. Ö3 mit seinem bunten aber durchaus nicht anspruchslosen Programm-Mix („Schlager für Fortgeschrittene“, „Vokal Instrumental International“, „Martini-Coctail“ etc.) sorgte für auditive Befriedigung.

Aber zurück zum Radio Day von RMS Austria im Palais Niederösterreich, der von Doris Ragetté (was für eine Stimme!) charmant moderiert wurde. Am Ende der Vorträge und nach einer Pause, die auch dem Networking dient (eine Kunst, die ich leider nur eingeschränkt beherrsche. Aus diesem Grund wurde ich wohl auch nie (Selbst)Verkäufer) sondern Marketier), kommt es zur Verleihung des RMS-Radio Award. In drei unterschiedlichen „Preisklassen“ galt es zu reüssieren. In der Kategorie „Top Seller„geht es laut Kriterienkatalog um „…Marken, deren Sujets besonders abverkaufsstark sind und die Konsumenten somit zum Kauf anregen.“ Bei „Speedy“ geht es um „Sujets, die schon nach wenigen Schaltungen eine überproportionale Leistungssteigerung aufweisen“ und bei „Permanent Performer“ um „Marken mit konstant hohem Werbedruck, denen es aber dennoch gelingt, die hohen Ausgangswerte zu steigern.“ Nun, die Gewinner in den drei Kategorien sind wie folgt:

Die Radio-Spots selbst werden, welch Stilbruch, im Rahmen eines Videos vorgestellt, bei dem sowohl Media-, als auch Kreativagentur sowie Auftraggeber präsentiert werden. An sich eine nette Idee, zumal man ja gerne auch die Menschen hinter der Arbeit kennenlernen möchte. Andererseits denke ich mir, die Spots selbst sind nun mal für das Medium „Hörfunk“ gemacht und sollen ja aus sich selbst beim Zuhörer Bilder entstehen lassen. Vielleicht lässt sich ja in Zukunft ein Split der Vorstellung von Beitrag und „Beitragstäter“ vereinbaren.

Hier jedenfalls noch einmal die Sieger inklusive Vorstellungsvideos:

¹ Texterin

Die ganze Wahrheit über den RMS-Award. Fast.

Nun, wie im ersten Teil des Beitrags erwähnt, bin ich als kritischer Geist auch dran interessiert zu verstehen, was es denn mit dem Bewertungssystem und diesem ominösen RMS-Score auf sich hat. Die Einteilung in die drei Hauptkategorien passiert übrigens nach der sogenannten „Dateneinhüllanalyse“ (Data Envelopment Analysis). Nachdem ich hier vom zuständigen Experten keine Informationen bekommen habe und ich wie gesagt Marketer (also „Marktpsychologe“) und kein „Operations Research Spezialist“ bin, nehme ich diese Methodik der Vorselektion einfach mal zur Kenntnis und verweise auf einschlägige Spezialisten.

Zur Reihung innerhalb der Kategorien konnte ich von Mag. Fessel, Geschäftsleiter vom FOCUS Institut folgende Hintergrundinformation zum RMS-Radio Award bekommen: Es handelt sich, nach der oben erwähnten Vorselektion, um einen standardisierten Werbemitteltest, bei dem im Falle von Radio ca. 250 Spots untersucht werden. Einige Wochen nach Erstausstrahlung werden diese anhand von vier Gütekriterien bewertet:

• Recognition (Wiedererkennung): zb. „können Sie sich erinnern, ob Sie diesen Spot in den letzten Wochen gehört haben?“
• Gefälligkeit
• Marken Impact: i.e. wie stark wird die Werbung mit der jeweilige Marke (spontan) in Verbindung gebracht?
• Image Positionierung:
  • originell
  • kaufanregend
  • verständlich & informativ

Insgesamt sind es also sechs Items, die gleich gewichtet in die Bewertung einfließen. Laut Mag. Fessel sind sie so gewählt, dass sie den Interessen der werbetreibenden Wirtschaft entsprechen.

Es handelt sich also beim RMS-Radio Award nicht um einen Preis für Spots die notwendigerweise gut verkaufen (eine Leistungsgröße, die ja der „Effie“ versucht zu berücksichtigen) aber auch nicht um einen Kreativitätspreis á la Goldener Löwe oder dem österreichischen CCA-Award, bei denen Kreativität honoriert wird. Auch entscheidet hier keine Jury sondern das Publikum. Methodik und Bewertungssystem bergen damit gewisse Vorteile (letztendlich zählt am Markt die Meinung des Kunden und nicht die eines Experten); andererseits ist bei reinen Befragungen das Gesagte und das Getane in den allermeisten Fällen nicht dasselbe. Wer einen Beweis braucht, vergleiche die Wahlprognosen der letzten Jahre mit den tatsächlichen Resultaten. 😉

Ach ja,  Radio Days ist übrigens um eine liebenswerte Komödie von Woody Allen, der damit den goldenen Zeiten des „Dampfradio“ huldigt. Durchaus sehenswert und ob der grandiosen Filmmusik auch hörenswert.