Sommer – Sonne – Festspielzeit

Don Carlo © Oper Burg Gars

Vorletztes Wochenende begab ich mich nach Gars am Kamp ins niederösterreichische Waldviertel.  Weder um dort zu kuren, noch um den original Waldviertler Mohnzuzler zu verkosten und auch nicht um der Positionierung des „Women’s Health  Ressort“ La Pura auf den Grund zu gehen. Möglicherweise wäre mir als Mann dort ja auch der Zutritt verwehrt worden, wer weiß?

Nein, es war die Lust an kulturellem Hochgenuss, die mich bei wohltemperierten 38 Grad Außentemperatur überkam. Denn in Gars da gibt es eine Burg. Und wo in Österreich eine Burg ist, da können Festspiele nicht weit sein. Im Falle von Gars handelt es sich konkret um Opernfestspiele. Als in Wien lebender gesättigter Kulturkonsument habe ich das bislang übersehen. Ich musste erst von einem befreundeten Musiker mit der Nase darauf gestoßen werden. Was gab man? Man gab „Don Carlo“ – schwere Kost also. Überraschend schwere Kost. Bei Sommeroper denke ich eher an leichter Verdauliches, „lustige Witwe“ (okay, keine Oper) oder allerhöchstens „die Zauberflöte“.

Nun, zur Darbietung kann ich nicht mehr sagen, als dass ich mich danach ein bisschen bildungsbürgerlicher gefühlt habe. Eine fundierte künstlerische Kritik traue ich mir nicht zu, dazu bin ich in Sachen Musik zu sehr Amateur. Aber in Sachen Marketing, da kann ich was sagen.

Was ist Erfolg?

EINE Kenngröße zur Erfolgsmessung im Marketing ist der Marktanteil. Den zu ermitteln, funktioniert im Kulturbetrieb schon einmal nicht so ohne weiteres. Denn was genau ist der Markt? Da gäbe unzählige Möglichkeiten diesen zu definieren. Zum Beispiel den Freizeitmarkt, Kulturmarkt, Medienmarkt, Musikmarkt, Opernmarkt, Festivalmarkt usw. Den ‚richtigen‘ Markt (quasi die Arena in der man sich mit dem Mitbewerber um die gleiche Zielgruppe matcht) sollten die Garser für sich definiert haben. Dann gilt es sich ein Ziel zu setzen, also zum Beispiel x% Anteil im Markt XY zu erzielen. Zu guter Letzt wird der Grad der Zielerreichung gemessen. Denn Marketing ohne Erfolgskontrolle geht nicht. Die Regeln dabei lauteten:

1. Was man messen kann, das misst man.
2. Was man nicht messen kann, das macht man messbar.

Eine Option bestünde nun darin, die Anzahl der Besucher der Garser Opernfestspiele durch die Gesamtzahl jener Menschen zu dividieren, die in diesem Jahr eines (oder mehrere) der vielen niederösterreichischen Festivals aufgesucht haben. Die Garser sind übrigens eines von 23 (dreiundzwanzig!) Mitgliedern des Vereins Theaterfest Niederösterreich (Den Zweck des Vereins konnte ich auf den ersten Blick übrigens nicht eruieren. Lobbying in Sachen Kulturförderung vielleicht?). Man nehme also die Besucher der Opernfestspiele Gars und teile die Zahl durch die Summe der im Dachverein (hoffentlich) erfassten Besucher plus der sonstigen Festspielbesucher in Niederösterreich. Schon hat man einen mengenmäßigen Marktanteil.

Die drei Dimensionen eines Produkts (nach P. Kotler)

Es geht aber auch einfacher. Manchmal muss man nur die Augen aufmachen (wie bei einem Storecheck), um zu sehen, ob das „Produkt“ funktioniert oder nicht. Das tat ich an diesem warmen Sommerabend. Und was sah ich? Wenig. Das waren gerade mal zu 60-65% gefüllte Sitzplätze. Bitte schön, das bei bestem Wetter, perfekter Uhrzeit, gar nicht üblen Sängern nebst Chor, die meiste Zeit gut aufspielendem Orchester und netter, weil historischer Inszenierung. Das Kernprodukt war also gut bzw. gut genug. Zumindest aus „technischer“ Sicht.

Die Poduktpolitik als Ergebnis der Positionierung

Wie komme ich zu dieser Behauptung? Der Techniker befindet ein Produkt für gut, wenn es die vorgegebenen Spezifikationen erfüllt, wenn es also mehr (Premiumprodukt) oder weniger (Billigprodukt) fehlerfrei seinen Zweck erfüllt. Ob man ein Premium- oder Billigprodukt anbietet, hängt zu einem wesentlichen Teil von der gewählten Positionierung ab. Und diese findet sich zuweilen in den Visionen, der Mission, den Zielen des Unternehmens. Bei der Positionierung geht es in anderen Worten darum, wie mein Produkt, meine Marke etc. in den Augen der potentiellen Kunden wahrgenommen werden soll.

Hier kann ich im Falle Gars wieder nur vermuten, da man meiner Bitte um Auskunft – gerichtet an die Festivalbetreiber – mit der Empfehlung begegnete, ich möge mich doch im Herbst wieder melden (das ist ungefähr so, als würde man zwecks Info immer nur im Sommer den ÖSV kontaktieren dürfen). Nun gut. Immerhin finden sich auf der Homepage des vormaligen Festivalbetreibers einige Hinweise.

Man liest dort als Ziele und Visionen für die Festspiele in Gars:

• Schwellenängste abbauen statt Regiegags
• Große Oper hautnah in unvergleichlicher Atmosphäre
• Große Stimmen ohne Mikrophonverstärkung
• Höchste musikalische Qualität
• Klassische, aber ideenreiche Neuinszenierungen
• Ambiente statt Ausstattungsschlacht
• Tolle Stimmen ohne Millionengagen
• Wesentlicher und nachhaltiger Beitrag zur Umwegrentabilität der Region

Da legst Dich nieder: Don Carlo geht es gar nicht gut. (© Foto: Andreas J. Hirsch)

So weit, so gut. Die Positionierung eines Produkts soll natürlich mit den Erwartungen/Bedürfnissen der Zielgruppe einhergehen. Banal gesagt bietet Ferrari nicht ohne Grund seine Boliden NICHT dem gelernten Ofensetzer  an (außer dieser hat beispielsweise den Weg in die Politik gefunden und verfügt sozusagen als „part of the game“ über ein entsprechendes Spielgeld). Die roten Karossen finden selbstredlich ihren reißenden Absatz beim gelernten Gas- und Ölmann (sprich Scheich) aus dem nahen Osten. 😉

Nun, wer war oder ist die Zielgruppe der Opernfestspiele in Gars? Offenbar alle jene, die mit Oper bislang wenig anfangen konnten (Stichwort: Schwellenängste). Und da die Jungen (um eine ganz, ganz primitive Segmentierung vorzunehmen) nicht über das nötige Kleingeld verfügen, um „große Oper“ mit „großen Stimmen“, in „höchster musikalischer Qualität“ zu genießen und an „klassischer Inszenierung“ wohl eher nicht interessiert sind, bleiben die grauen Panther, die Best-Ager oder aber die „einigermaßen“ kulturinteressierte Mittelschicht , die man möglicherweise auch als „late majority“ bezeichnen kann.

Genau dieses Publikum fand sich in Gars am Kamp auch ein, aber offenbar in zu geringer Zahl, um die Tribünen zur Gänze zu füllen. Es stellt sich also die Frage nach dem Warum?

Eine mögliche Antwort auf die gestellte Frage und Hypothesen, was man in Gars oder andernorts machen könnte, um den Auslastungsgrad seines Festivals zu erhöhen, ist in Kürze an dieser Stelle zu lesen. Ich freue mich über Kommentare, Anregungen und das Weiterleiten dieses Blogbeitrags.